Intonation im Deutschen – Grundlagen
Was nehmen wir als Erstes wahr, wenn wir eine Sprache hören, die uns nicht vertraut ist? Es ist ihr Klang, die ihren ganz besonderen Charakter ausmacht. Die Sprache kann etwa sanft, dynamisch, hektisch oder musikalisch auf uns wirken und ganz unterschiedliche Assoziationen in uns hervorrufen. Was wir wahrnehmen, ist also vor allem die Intonation. Doch was ist das eigentlich?
Intonation – was ist das genau?
Der Begriff Intonation wird nicht immer einheitlich gebraucht. Da ich an dieser Stelle nicht auf alle sprachwissenschaftlichen Details eingehen möchte, vereinfache ich die Definition ein wenig.
Prosodie oder Intonation?
Gemeint sind entweder alle Eigenschaften, die nichts mit einzelnen Lauten zu tun haben. Dazu gehören dann zum Beispiel die Melodie, die Akzentuierung, die Pausen und die Lautstärke. Oder man grenzt den Begriff enger ein und versteht unter Intonation mehr oder weniger nur den Tonhöhenverlauf, vereinfacht gesagt also nur die Melodie einer Äußerung.
Für die erste Beschreibung bevorzuge ich den Oberbegriff Prosodie und wähle für die melodischen Eigenschaften der Sprache den Terminus Intonation, auch wenn beide Begriffe häufig synonym verwendet werden und sich die jeweiligen Eigenschaften nicht immer klar voneinander trennen lassen.
Warum du dich mit der Intonation beschäftigen solltest
So, aber nun genug der Theorie. Du möchtest vermutlich einfach wissen, wozu wir eine gute Intonation brauchen und was du tun musst, um „deutsch“ zu klingen.
Wäre die Frage doch nur so leicht zu beantworten! Das Wichtigste vorab: Es gibt nicht die eine richtige Intonation für die deutsche Sprache. Aber es gibt Tendenzen, an denen du dich orientieren kannst. Die wichtigsten Informationen habe ich vor einigen Jahren in meinem Video Grundlagen der Intonation zusammengefasst.
Was Intonation bewirkt
Da du hier gelandet bist, ist dir vermutlich klar, dass es für eine gute Verständigung nicht ausreicht, nur Grammatik und Wortschatz zu lernen. Aber auch die Phonetik, das Lautsystem der Sprache, ist nicht alles, worauf es bei einer Unterhaltung ankommt. Wie heißt es so schön: Der Ton macht die Musik!
Mithilfe der Intonation können wir zum Beispiel Informationen transportieren oder Stimmungen ausdrücken. Eine passende Intonation erleichtert es Zuhörern, einer Aussage zu folgen. Dafür brauchst du nicht jede einzelne Silbe in absoluter Perfektion zu intonieren (was nebenbei bemerkt niemals der Anspruch sein sollte, weil es so etwas gar nicht gibt), aber eine stark abweichende Intonation führt mindestens zu Irritationen beim Gegenüber, im schlechteren Fall zu einer erschwerten Verständigung.
Welches Deutsch meinen wir?
Immer mal wieder kommt mir zu Ohren, insbesondere von Muttersprachlern selbst, die deutsche Sprache klinge im Vergleich zu anderen sehr monoton. Das stimmt so natürlich nicht.
Zunächst muss klar sein, von welchem Deutsch eigentlich die Rede ist. Deutsch ist eine plurizentrische Sprache, hat also zahlreiche Varietäten. Neben vielen verschiedenen Dialekten existieren auch verschiedene Standardvarietäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei besonders in der Schweiz ein großer Unterschied zwischen dem „Schweizer Hochdeutsch“ und dem „Schweizerdeutsch“ besteht.
Ich beziehe mich immer auf den bundesdeutschen Standard, der allgemein als „Hochdeutsch“ bezeichnet wird. Diese Aussage wirst du sehr oft von mir hören oder lesen, da mir die Unterscheidung enorm wichtig ist. Daher wiederhole ich: Es gibt nicht nur eine richtige deutsche Aussprache und Intonation!
Zurück zur Frage, wie monoton Deutsch klingt. Es stimmt, dass Deutsch vergleichsweise wenige Tonhöhen hat. Das hat einfach ausgedrückt damit zu tun, dass wir hauptsächlich die wichtigsten Wörter (bzw. Silben) betonen, die eine bestimmte Information vermitteln sollen. An diesen Stellen kommt es durch eine stärkere Akzentuierung zu einem hohen oder tiefen Ton. Dort, wo es wenig Akzentuierung gibt, verändert sich nicht viel in der Melodie.
In den nächsten Abschnitten zeige ich dir die wichtigsten Grundlagen der Intonation, die du für den Anfang brauchst.
Wie klingt man nun „richtig deutsch“?
Wenn du dich an den folgenden Regeln orientierst, wirst du nicht viel falsch machen. Mein wichtigster Ratschlag an dieser Stelle ist: Versuche nur, eine Idee von den Regeln der deutschen Intonation zu bekommen. Den Rest lernst du am besten über viel Hören und Nachsprechen. Auch Nachsummen ist eine geeignete Methode, um ein Gefühl für die Sprachmelodie zu entwickeln.
Du kannst übrigens alle Beispiele im obigen Video hören.
Einfacher Aussagesatz
Eine einfache Aussage endet auf einem tiefen Ton. An den akzentuierten Silben haben wir normalerweise einen Wechsel. Zunächst steigt die Melodie, bleibt dann relativ monoton und schließlich fällt sie.
Am Samstag gehe ich ins Kino.
Einfache Aussagen wie hier, die nur aus einem Hauptsatz bestehen, können natürlich auch mehr oder weniger Informationen beinhalten, sodass es innerhalb der Aussage zu weiteren feinen Tonhöhenunterschieden kommen kann.
Zwei Prinzipien sind jedoch wichtig: Am Anfang beginnen wir mit einem eher neutralen Ton, also nicht mit einer sonderlich hohen Stimmlage, und am Ende senken wir die Stimme. Das Prinzip mit der fallenden Stimmlage gilt auch für einen ganzen Gedanken, der aus mehreren Sätzen bestehen kann. Ein tiefer Ton mit einer anschließenden Pause markiert in der Regel das Ende der Aussage.
Unvollständige Aussagen
Wenn eine Aussage noch nicht beendet ist, wie es beispielsweise bei Aufzählungen oder im Zusammenhang mit Nebensätzen der Fall ist, halten wir den Ton bzw. heben ihn leicht.
Am Samstag habe ich keine Zeit, weil ich ins Kino gehe.
In diesem Beispiel steigt der Ton leicht an, wo im Schriftlichen das Komma steht. Würden wir an der Stelle die Stimme senken, könnte man den Eindruck gewinnen, die Aussage sei bereits beendet. Zusammen mit dem Nebensatz würde es insgesamt etwas seltsam klingen. Im Alltag kann es zwar zu solchen Abweichungen kommen, aber das hat dann in der Regel andere Gründe. Zum Beispiel fällt einem der Teil der Aussage erst kurz danach ein und man schiebt ihn noch schnell hinterher.
Fragesätze
Fragen können unterschiedliche Tonverläufe haben. Dabei kommt es auf den Fragetyp an.
W-Fragen
Die Melodie einer W-Frage (mit Fragewörtern wie zum Beispiel wer, was, warum, wohin etc.), auch offene Frage genannt, gleicht im Normalfall der eines Aussagesatzes.
Was möchtest du trinken?
Obwohl es sich also um eine Frage handelt, haben wir am Ende einen fallenden Ton. Das kann besonders für Anfänger irritierend sein, da es allein vom Klang her mitunter nicht klar wird, dass eine Frage gestellt wurde.
Anders verhält es sich bei Folgefragen.
Und was möchtest du trinken?
Wenn wir weitere Fragen in einer Art Aufzählung stellen oder dieselbe Frage wiederholen, nur an eine andere Person gerichtet, ändert sich der Verlauf zu einem steigenden Ton. Man erkennt diese Fragen meist am einleitenden „und“.
Ja-/Nein-Fragen
Die Ja-/Nein-Frage, auch geschlossene Frage genannt, entspricht schon viel eher der erwarteten Fragemelodie.
Möchtest du einen Kaffee trinken?
Hier haben wir eine steigende Intonation am Ende der Frage. Diese Art von Fragen verursacht in der Regel keine Schwierigkeiten. Je nach Kontext kann es jedoch auch hier zu einem gegenteiligen Verlauf kommen, zum Beispiel, wenn man höflich und nicht so fordernd klingen möchte. Das sind aber besondere Fälle, die ich hier vorerst nicht berücksichtige.
Alternativfragen
Zuletzt schauen wir uns die Alternativfragen an, also Fragen, bei denen wir zwei oder mehr Antwortmöglichkeiten vorgeben.
Möchtest du lieber Kaffee oder Tee?
Hier ist es wichtig, die Optionen gleichermaßen hervorzuheben. Das tun wir, indem wir bei der ersten Alternative (oder im Falle einer Auflistung mehrerer Optionen auch bei den weiteren Alternativen) die Stimme zunächst heben und am Ende bei der letzten Alternative wieder senken.
Zusammenfassung
Mit diesen Aussage- und Fragetypen hast du schon ein großes Repertoire an Beispielen, wie die deutsche Intonation funktioniert. Wir halten fest:
- In den meisten Fällen haben wir am Ende von Aussagen und Fragen einen fallenden Ton.
- Haben wir eine steigende Melodie, ist die Aussage entweder noch nicht beendet oder es handelt sich um eine geschlossene Ja-/Nein-Frage.
- Die Tonhöhen und der entsprechende Tonverlauf hängen dabei von den akzentuierten Silben ab.
- Außerhalb der betonten Wörter ist die Melodie relativ gleichbleibend.
Wie bereits erwähnt, handelt es sich immer nur um Tendenzen. In einigen Situationen kann es zu ganz anderen Tonverläufen kommen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Außerdem können Varietäten der deutschen Sprache zum Teil vollkommen anders und viel melodischer klingen.
Mit diesem Grundwissen kannst du noch gezielter zuhören und die Intonation von Muttersprachlern nachahmen. Mit der Zeit wirst du somit ein immer besseres Gefühl für die „Musik“ der deutschen Sprache erlangen.
In kommenden Artikeln erfährst du mehr über weitere Bereiche der Prosodie, insbesondere zum Thema Akzentuierung. Bis dahin schau doch mal in meine YouTube-Playlist, wo ich bereits einige Aspekte behandelt habe, oder merke dir den nächsten Termin für meinen Workshop „Der Ton macht die Musik“ vor!
Wie gefällt dir der Klang der deutschen Sprache? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar!