Buchstaben sind keine Laute!

Buchstaben sind keine Laute!

Warum hält sich ein Akzent so hartnäckig, selbst wenn man schon fließend Deutsch spricht? Ein möglicher Grund liegt darin, wie wir als Erwachsene eine Fremdsprache lernen, nämlich zu einem großen Teil über das Lesen. Aber: Buchstaben sind keine Laute!

Die Beziehung zwischen Buchstaben und Lauten

Aus verschiedenen Gründen fällt es häufig schwerer, die Aussprache zu verbessern, als Grammatik- oder Wortschatzkenntnisse zu erweitern. Ein Grund für viele Aussprachefehler ist aber vor allem, dass wir eine Fremdsprache in der Regel von Anfang an über das Lesen lernen. Dabei übertragen wir oft bereits erworbene Regeln zur Laut-Buchstaben-Beziehung aus unserer Muttersprache in die Fremdsprache. Ohne weiteres Wissen neigen wir dazu, Buchstaben und Buchstabenkombinationen zunächst so auszusprechen, wie wir sie in unserer Muttersprache aussprechen würden. Oder wir ordnen einem Buchstaben grundsätzlich nur einen Laut zu, obwohl es sich um unterschiedliche Laute handelt (Beispiel: Beet vs. Bett).

Es scheint, als würden wir der Schreibung mehr vertrauen als dem eigenen Gehör. Was meine ich damit? In vielen Fällen kommt es zu Aussprachefehlern, obwohl man einen Laut eigentlich richtig wahrnehmen kann oder sogar aus der eigenen Sprache kennt. Ich möchte dir ein paar Beispiele nennen.

Beispiel 1: Der Buchstabe z

Ein simples Beispiel ist der Buchstabe <z>, der von sehr vielen Deutschlernenden falsch ausgesprochen wird. Die Lautzuweisung im Deutschen mag ungewöhnlich sein, aber phonetisch betrachtet ist die Aussprache überhaupt nicht so kompliziert.

Wenn man weiß, dass der Buchstabe <z> als [t͡s] ausgesprochen wird, sind Wörter wie Zeit, Zoo oder Zeh eigentlich problemlos auszusprechen. Die Beispiele sind nicht zufällig ausgewählt, denn bei falscher Aussprache ändern die Wörter ihre Bedeutung: seit (oder seid), so, See.

Vergleichen wir die Schreibweise mit der Lautschrift. Zu diesem Thema gibt es übrigens schon einen eigenen Artikel: IPA: Aussprache verbessern durch Lautschrift.

Zeit [t͡saɪ̯t]
seit [zaɪ̯t]
Zoo [t͡soː]
so [zoː]
Zeh [t͡seː]
See [zeː]

Vielleicht sorgt das IPA-Symbol [z] für Verwirrung. Es steht für einen stimmhaften Laut, wie zum Beispiel in der englischen Aussprache von zoo. Hier siehst du also ganz deutlich: Ein Buchstabe ist kein Laut. Derselbe Buchstabe kann in verschiedenen Sprachen unterschiedlich ausgesprochen werden.

Beispiel 2: Der Buchstabe r

Das R ist ein viel gefragtes Thema in meinen Aussprachetrainings. Dabei geht es vornehmlich um die Aussprache des hinten gesprochenen Reibe-R. Viel wichtiger jedoch ist die Unterscheidung zwischen konsonantischem und vokalischem R.

Achte mal beim Zuhören ganz genau darauf, wie oft du das R wirklich hörst. Du wirst feststellen, dass ein geschriebenes R nur selten als R gesprochen wird. Viel häufiger sprechen wir es als Tiefschwa [ɐ], zum Beispiel in nur, weiter, vergessen, Fahrt, anders etc. Es führt zwar nicht zu Missverständnissen, wenn du hier ein R aussprichst, aber es macht dir das Leben leichter, wenn du es richtig aussprichst, da du das schwierige Reibe-R viel seltener brauchst.

Beispiel 3: Die Buchstabenfolge -er-

Und schließlich noch ein spezifischeres Beispiel: Wenn die Erstsprache Englisch ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, die Buchstabenfolge <er> als [ɜ] oder [ɝ] zu realisieren. Dieser Laut klingt in deutschen Ohren in etwa wie ein Ö. So nehmen wir das Wort lernen ([lɛɐ̯nən] oder [lɛʁnən]) bei falscher Aussprache eher als „lörnen“ ([lœɐ̯nən]) wahr.

Das merkt man umgekehrt übrigens auch am deutschen Akzent im Englischen: learn wird dann gerne mal als [lœɐ̯n] statt [lɝn] ausgesprochen, wobei hier zwei Fehlerquellen zugrunde liegen. Wir filtern zum einen den englischen Vokal als [œ], es handelt sich demnach um einen Hörfehler, und zum anderen wenden wir die Regel an, <r> nach einem Vokal als [ɐ] auszusprechen. Hier erfolgt eine falsche Zuordnung von Buchstaben und Lauten.

Obwohl die englische Sprache also den Laut [ɛ] kennt, kommt es durch Hinzufügen des Buchstaben <r> zu einer abweichenden Aussprache. Die ursprünglich erlernte Buchstabenkomination ist hier demzufolge ausschlaggebend für den Aussprachefehler, nicht das falsche Hören.

Mehr hören, weniger lesen

Wenn du deine Aussprache verbessern und deinen Akzent reduzieren willst, empfehle ich dir, viel mehr zu hören als zu lesen. Podcasts, Hörbücher, Videos, deutschsprachige Menschen in deinem Umfeld – die Auswahl ist riesig. Nutze auch die Möglichkeit, die Wiedergabegeschwindigkeit zu reduzieren, um dich noch gezielter auf die einzelnen Laute konzentrieren zu können. Gewöhne dich an die Laute und entwickle ein Gefühl für eine natürliche Aussprache. So orientierst du dich insgesamt weniger am Schriftbild.

Dennoch ist es durchaus sinnvoll, sich mit den Regeln der Laut-Buchstaben-Beziehung im Deutschen zu befassen. Dadurch verstehst du noch besser, woher möglicherweise deine Aussprachefehler kommen, und du kannst schneller erkennen, wie ein Wort ausgesprochen werden muss, wenn du es dir zum ersten Mal in schriftlicher Form begegnet. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Doppelkonsonanten wie in doppelt oder wenn bedeuten beispielsweise nicht, dass der Konsonant länger gesprochen wird, sondern sie zeigen an, dass man den Vokal davor kurz und ungespannt spricht. Der Digraph <ch> wird nach Hinterzungenvokalen (a, o, u und au) als [x] (ach-Laut) gesprochen, in den meisten anderen Fällen als [ç] (ich-Laut).

Im Workshop „Sprechen, wie man schreibt?“ lernst du nicht nur die wichtigsten Regeln zur Laut-Buchstaben-Beziehung im Deutschen, sondern erfährst auch, wie du das Lautschriftsystem IPA (Internationales Phonetisches Alphabet) zur Verbesserung deiner Aussprache einsetzen kannst.

Fazit

Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass Buchstaben und Laute nicht dasselbe sind. Wenn du dich ein bisschen mit den Rechtschreib- bzw. Ausspracheregeln des Deutschen befasst, wirst du sehen, dass du schon viele Aussprachefehler ganz einfach vermeiden kannst. Höre viel, damit du dich an eine authentische Aussprache gewöhnst. Und wenn du noch tiefer in die Materie einsteigen willst, beschäftige dich auch mit dem IPA, da es ein unglaublich nützliches Werkzeug beim Aussprachetraining ist. Hol dir für den Einstieg dafür am besten meine kostenlose PDF „Bessere Aussprache durch Lautschrift“.

 

Welche Aussprachefehler, die mit der Schreibung zu tun haben, hast du bisher gemacht? Ich freue mich über einen Kommentar!

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Intonation im Deutschen – Grundlagen

Intonation im Deutschen – Grundlagen

Was nehmen wir als Erstes wahr, wenn wir eine Sprache hören, die uns nicht vertraut ist? Es ist ihr Klang, die ihren ganz besonderen Charakter ausmacht. Die Sprache kann etwa sanft, dynamisch, hektisch oder musikalisch auf uns wirken und ganz unterschiedliche Assoziationen in uns hervorrufen. Was wir wahrnehmen, ist also vor allem die Intonation. Doch was ist das eigentlich?

Intonation – was ist das genau?

Der Begriff Intonation wird nicht immer einheitlich gebraucht. Da ich an dieser Stelle nicht auf alle sprachwissenschaftlichen Details eingehen möchte, vereinfache ich die Definition ein wenig.

Prosodie oder Intonation?

Gemeint sind entweder alle Eigenschaften, die nichts mit einzelnen Lauten zu tun haben. Dazu gehören dann zum Beispiel die Melodie, die Akzentuierung, die Pausen und die Lautstärke. Oder man grenzt den Begriff enger ein und versteht unter Intonation mehr oder weniger nur den Tonhöhenverlauf, vereinfacht gesagt also nur die Melodie einer Äußerung.

Für die erste Beschreibung bevorzuge ich den Oberbegriff Prosodie und wähle für die melodischen Eigenschaften der Sprache den Terminus Intonation, auch wenn beide Begriffe häufig synonym verwendet werden und sich die jeweiligen Eigenschaften nicht immer klar voneinander trennen lassen.

Warum du dich mit der Intonation beschäftigen solltest

So, aber nun genug der Theorie. Du möchtest vermutlich einfach wissen, wozu wir eine gute Intonation brauchen und was du tun musst, um „deutsch“ zu klingen.

Wäre die Frage doch nur so leicht zu beantworten! Das Wichtigste vorab: Es gibt nicht die eine richtige Intonation für die deutsche Sprache. Aber es gibt Tendenzen, an denen du dich orientieren kannst. Die wichtigsten Informationen habe ich vor einigen Jahren in meinem Video Grundlagen der Intonation zusammengefasst.

 

Was Intonation bewirkt

Da du hier gelandet bist, ist dir vermutlich klar, dass es für eine gute Verständigung nicht ausreicht, nur Grammatik und Wortschatz zu lernen. Aber auch die Phonetik, das Lautsystem der Sprache, ist nicht alles, worauf es bei einer Unterhaltung ankommt. Wie heißt es so schön: Der Ton macht die Musik!

Mithilfe der Intonation können wir zum Beispiel Informationen transportieren oder Stimmungen ausdrücken. Eine passende Intonation erleichtert es Zuhörern, einer Aussage zu folgen. Dafür brauchst du nicht jede einzelne Silbe in absoluter Perfektion zu intonieren (was nebenbei bemerkt niemals der Anspruch sein sollte, weil es so etwas gar nicht gibt), aber eine stark abweichende Intonation führt mindestens zu Irritationen beim Gegenüber, im schlechteren Fall zu einer erschwerten Verständigung.

Welches Deutsch meinen wir?

Immer mal wieder kommt mir zu Ohren, insbesondere von Muttersprachlern selbst, die deutsche Sprache klinge im Vergleich zu anderen sehr monoton. Das stimmt so natürlich nicht.

Zunächst muss klar sein, von welchem Deutsch eigentlich die Rede ist. Deutsch ist eine plurizentrische Sprache, hat also zahlreiche Varietäten. Neben vielen verschiedenen Dialekten existieren auch verschiedene Standardvarietäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei besonders in der Schweiz ein großer Unterschied zwischen dem „Schweizer Hochdeutsch“ und dem „Schweizerdeutsch“ besteht.

Ich beziehe mich immer auf den bundesdeutschen Standard, der allgemein als „Hochdeutsch“ bezeichnet wird. Diese Aussage wirst du sehr oft von mir hören oder lesen, da mir die Unterscheidung enorm wichtig ist. Daher wiederhole ich: Es gibt nicht nur eine richtige deutsche Aussprache und Intonation!

Zurück zur Frage, wie monoton Deutsch klingt. Es stimmt, dass Deutsch vergleichsweise wenige Tonhöhen hat. Das hat einfach ausgedrückt damit zu tun, dass wir hauptsächlich die wichtigsten Wörter (bzw. Silben) betonen, die eine bestimmte Information vermitteln sollen. An diesen Stellen kommt es durch eine stärkere Akzentuierung zu einem hohen oder tiefen Ton. Dort, wo es wenig Akzentuierung gibt, verändert sich nicht viel in der Melodie.

In den nächsten Abschnitten zeige ich dir die wichtigsten Grundlagen der Intonation, die du für den Anfang brauchst.

Wie klingt man nun „richtig deutsch“?

Wenn du dich an den folgenden Regeln orientierst, wirst du nicht viel falsch machen. Mein wichtigster Ratschlag an dieser Stelle ist: Versuche nur, eine Idee von den Regeln der deutschen Intonation zu bekommen. Den Rest lernst du am besten über viel Hören und Nachsprechen. Auch Nachsummen ist eine geeignete Methode, um ein Gefühl für die Sprachmelodie zu entwickeln.

Du kannst übrigens alle Beispiele im obigen Video hören.

Einfacher Aussagesatz

Eine einfache Aussage endet auf einem tiefen Ton. An den akzentuierten Silben haben wir normalerweise einen Wechsel. Zunächst steigt die Melodie, bleibt dann relativ monoton und schließlich fällt sie.

Am Samstag gehe ich ins Kino.

Intonation im einfachen AussagesatzEinfache Aussagen wie hier, die nur aus einem Hauptsatz bestehen, können natürlich auch mehr oder weniger Informationen beinhalten, sodass es innerhalb der Aussage zu weiteren feinen Tonhöhenunterschieden kommen kann.

Zwei Prinzipien sind jedoch wichtig: Am Anfang beginnen wir mit einem eher neutralen Ton, also nicht mit einer sonderlich hohen Stimmlage, und am Ende senken wir die Stimme. Das Prinzip mit der fallenden Stimmlage gilt auch für einen ganzen Gedanken, der aus mehreren Sätzen bestehen kann. Ein tiefer Ton mit einer anschließenden Pause markiert in der Regel das Ende der Aussage.

Unvollständige Aussagen

Wenn eine Aussage noch nicht beendet ist, wie es beispielsweise bei Aufzählungen oder im Zusammenhang mit Nebensätzen der Fall ist, halten wir den Ton bzw. heben ihn leicht.

Am Samstag habe ich keine Zeit, weil ich ins Kino gehe.

Unvollständige AussagenIn diesem Beispiel steigt der Ton leicht an, wo im Schriftlichen das Komma steht. Würden wir an der Stelle die Stimme senken, könnte man den Eindruck gewinnen, die Aussage sei bereits beendet. Zusammen mit dem Nebensatz würde es insgesamt etwas seltsam klingen. Im Alltag kann es zwar zu solchen Abweichungen kommen, aber das hat dann in der Regel andere Gründe. Zum Beispiel fällt einem der Teil der Aussage erst kurz danach ein und man schiebt ihn noch schnell hinterher.

Fragesätze

Fragen können unterschiedliche Tonverläufe haben. Dabei kommt es auf den Fragetyp an.

W-Fragen

Die Melodie einer W-Frage (mit Fragewörtern wie zum Beispiel wer, was, warum, wohin etc.), auch offene Frage genannt, gleicht im Normalfall der eines Aussagesatzes.

Was möchtest du trinken?

Intonation bei einer offenen FrageObwohl es sich also um eine Frage handelt, haben wir am Ende einen fallenden Ton. Das kann besonders für Anfänger irritierend sein, da es allein vom Klang her mitunter nicht klar wird, dass eine Frage gestellt wurde.

Anders verhält es sich bei Folgefragen.

Und was möchtest du trinken?

FolgefrageWenn wir weitere Fragen in einer Art Aufzählung stellen oder dieselbe Frage wiederholen, nur an eine andere Person gerichtet, ändert sich der Verlauf zu einem steigenden Ton. Man erkennt diese Fragen meist am einleitenden „und“.

Ja-/Nein-Fragen

Die Ja-/Nein-Frage, auch geschlossene Frage genannt, entspricht schon viel eher der erwarteten Fragemelodie.

Möchtest du einen Kaffee trinken?

Intonation bei einer geschlossenen FrageHier haben wir eine steigende Intonation am Ende der Frage. Diese Art von Fragen verursacht in der Regel keine Schwierigkeiten. Je nach Kontext kann es jedoch auch hier zu einem gegenteiligen Verlauf kommen, zum Beispiel, wenn man höflich und nicht so fordernd klingen möchte. Das sind aber besondere Fälle, die ich hier vorerst nicht berücksichtige.

Alternativfragen

Zuletzt schauen wir uns die Alternativfragen an, also Fragen, bei denen wir zwei oder mehr Antwortmöglichkeiten vorgeben.

Möchtest du lieber Kaffee oder Tee?

Intonation bei einer AlternativfrageHier ist es wichtig, die Optionen gleichermaßen hervorzuheben. Das tun wir, indem wir bei der ersten Alternative (oder im Falle einer Auflistung mehrerer Optionen auch bei den weiteren Alternativen) die Stimme zunächst heben und am Ende bei der letzten Alternative wieder senken.

Zusammenfassung

Mit diesen Aussage- und Fragetypen hast du schon ein großes Repertoire an Beispielen, wie die deutsche Intonation funktioniert. Wir halten fest:

  • In den meisten Fällen haben wir am Ende von Aussagen und Fragen einen fallenden Ton.
  • Haben wir eine steigende Melodie, ist die Aussage entweder noch nicht beendet oder es handelt sich um eine geschlossene Ja-/Nein-Frage.
  • Die Tonhöhen und der entsprechende Tonverlauf hängen dabei von den akzentuierten Silben ab.
  • Außerhalb der betonten Wörter ist die Melodie relativ gleichbleibend.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich immer nur um Tendenzen. In einigen Situationen kann es zu ganz anderen Tonverläufen kommen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Außerdem können Varietäten der deutschen Sprache zum Teil vollkommen anders und viel melodischer klingen.

Mit diesem Grundwissen kannst du noch gezielter zuhören und die Intonation von Muttersprachlern nachahmen. Mit der Zeit wirst du somit ein immer besseres Gefühl für die „Musik“ der deutschen Sprache erlangen.

In kommenden Artikeln erfährst du mehr über weitere Bereiche der Prosodie, insbesondere zum Thema Akzentuierung. Bis dahin schau doch mal in meine YouTube-Playlist, wo ich bereits einige Aspekte behandelt habe, oder merke dir den nächsten Termin für meinen Workshop „Der Ton macht die Musik“ vor!

Wie gefällt dir der Klang der deutschen Sprache? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar!

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IPA: Aussprache verbessern durch Lautschrift

IPA: Aussprache verbessern durch Lautschrift

In meinen Videos und denen meiner Kolleginnen und Kollegen, in Wörterbüchern und mit etwas Glück auch in einigen Lehrwerken wird dir immer wieder eine besondere Schrift begegnen: die Lautschrift. Diese Schrift zeigt uns, wie ein Wort ausgesprochen werden soll. Das bekannteste Lautschriftsystem ist das Internationale Phonetische Alphabet, kurz: IPA. Ja, es gibt noch andere Systeme, die für unsere Zwecke aber nicht weiter von Bedeutung sind. Deshalb möchte ich dir das IPA nun etwas genauer vorstellen.

IPA: Was ist das genau?

Das IPA ist ein standardisiertes Alphabet mit über 100 Zeichen, mithilfe derer die Aussprache einer Sprache möglichst präzise dargestellt wird. Jedem Laut ist ein Zeichen zugeordnet, anders also, als wir es von unserer Orthografie kennen. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Zeichen und Symbole, die eine noch genauere Auskunft zur Aussprache geben. Zum Beispiel dazu, welche Silbe betont wird, ob ein Konsonant stimmlos ist, ob ein Vokal lang gesprochen wird und so weiter und so fort. Der Buchstabe o steht im Deutschen unter anderem für die Vokale [o] und [ɔ]. Dem Laut [o] wird normalerweise das Zeichen für Länge beigefügt, da geschlossene Laute im Deutschen in der Regel lange Vokale sind: [].

Somit ist es also möglich, die Aussprache jeder Sprache mit einem einzigen Alphabet darzustellen. Denn die Schriftsysteme der einzelnen Sprachen können sich enorm voneinander unterscheiden und man muss die Regeln kennen, um zu wissen, wie ein Wort ausgesprochen bzw. geschrieben wird. Dabei spiegeln einige Schriftsysteme die Aussprache genauer wider als andere. Man denke nur an die englische Sprache: Nur selten lässt sich anhand der Schreibung auf die richtige Aussprache schließen. Zum Beispiel hat die Buchstabenfolge ough mehrere lautliche Realisierungen. So wird sie in Wörtern wie enough, through, although, thought etc. auf ganz unterschiedliche Weisen ausgesprochen.

Im Deutschen gibt es solche Extrembeispiele zwar nicht, aber auch der Grundsatz: „Man schreibt, wie man spricht“, den man häufig hört, wenn es um die deutsche Rechtschreibung geht, trifft keineswegs zu. Besonders dann nicht, wenn man Deutsch als Fremdsprache lernt. Allein der Buchstabe e kann auf viele verschiedene Weisen ausgesprochen werden:

  • als geschlossener und meistens langer Vokal: Weg [vk]
  • als offener, kurzer Vokal: Bett [bɛt]
  • als reduzierter Vokal (Schwa): Blume [ˈbluːmə]
  • als /a/ im Diphthong ei: Reis [ʁaɪ̯s]
  • als /ɔ/ im Diphthong eu: Euro [ˈɔɪ̯ʁo]
  • als Tiefschwa (klingt wie ein reduziertes A) in der Verbindung er: Alter [ˈaltɐ]

Der Buchstabe kann sogar völlig stumm sein:

  • als Dehnungs-e, vor allem in der Verbindung ie: Dieb [diːp]
  • in reduzierten Endungen mit silbischen Konsonanten: Taschen [ˈtaʃn̩]

Und von Fremdwörtern wie Feedback [ˈfiːtbɛk] oder Akteur [akˈtøːɐ̯] war noch gar nicht die Rede. Wie du siehst, ist das IPA durchaus ein nützliches Werkzeug, wenn man sich genauer mit der Aussprache beschäftigen möchte.

Warum das IPA hilfreich ist

Schön und gut, aber reicht es nicht, wenn man das Wort und die Sprache einfach hört? Muss man die Lautschrift unbedingt lesen können, um seinen Akzent zu verbessern?

Ja und nein. Natürlich geht es auch ohne IPA, denn nicht jeder hat Zeit und Lust, sich noch mit einer weiteren Schrift auseinanderzusetzen. Wenn dein Gehör sehr gut geschult ist, kannst du selbstverständlich auch ohne Lautschrift eine wunderbare Aussprache entwickeln. Ich sehe sie jedoch als Ergänzung und ich hatte selbst schon einige Aha-Erlebnisse beim Sprachenlernen. Das IPA ist einfach eine visuelle Unterstützung, da wir es gewohnt sind, Buchstaben und Buchstabenfolgen mit bestimmten Lauten in Verbindung zu bringen. Diese gelernten Verknüpfungen können jedoch tückisch sein und zu Aussprachefehlern und -abweichungen führen. Die oben genannten Beispiele zeigen das ziemlich deutlich. Wenn wir ein Wort nachschlagen und wissen wollen, wie es ausgesprochen wird, finden wir mit der Lautschrift einen eindeutigen Hinweis und lassen uns nicht von der Schreibweise eines Wortes täuschen. Hm, Moment –  ist das IPA wirklich immer zu 100 Prozent eindeutig? Leider nicht so ganz.

Probleme mit der Lautschrift

Das IPA ist zwar ein standardisiertes Alphabet, jedoch gibt es keine allgemeingültige „Rechtschreibung“ für jeden Einsatzbereich. Es hängt stark davon ab, zu welchem Zweck man mit dem IPA arbeiten möchte und wie detailliert die Transkription überhaupt sein soll. Wenn Deutschsprachige ein deutsches Wort in Lautschrift lesen, ist es zum Beispiel ziemlich egal, welches Symbol für den Buchstaben r gewählt wird: [r], [ʀ] und [ʁ] sind Allophone. Das heißt, die unterschiedlichen R-Laute bewirken keinen Bedeutungsunterschied und man würde das Wort mit der Varietät lesen, die man ohnehin spricht. Dasselbe gilt für die Aspiration von Plosiven (p, t, k). Ob ein Konsonant aspiriert oder nicht aspiriert ist, spielt für die Bedeutung eines Wortes im Deutschen keine Rolle. Sobald es in einer Sprache jedoch zu Bedeutungsunterschieden kommt, ist es wichtig, solche Unterschiede darzustellen und das entsprechend passende Zeichen zu wählen.

Das betrifft zum Beispiel auch die Frage, ob der Glottisschlag („Knacklaut“, Darstellung: [ʔ]) transkribiert werden soll und wenn ja, in welchen Positionen. Überall, wo er tatsächlich auftritt? Oder nur in der Wortmitte, um den harten Vokaleinsatz zu kennzeichnen? Nehmen wir das Wort überall als Beispiel: Je nach Einsatzzweck kann ich es als [ʔyːbɐˈʔal], [yːbɐˈʔal] oder [yːbɐˈal] transkribieren. Am Wortanfang ist es eher unüblich, den Glottislaut zu markieren. Es kann jedoch beispielsweise für Italiener hilfreich sein, die einerseits einen eher weichen Vokaleinsatz kennen und andererseits den harten Vokaleinsatz häufig mit [h] hyperkorrigieren, da der Buchstabe h im Italienischen stumm ist. Wenn es nun jeweils eindeutige Zeichen für den Knacklaut und den Buchstaben h gibt, können dadurch Verwechslungen leichter vermieden werden.

Zusammengefasst kann es also durch den Grad der Genauigkeit und den Einsatzzweck teilweise zu unterschiedlichen Darstellungen kommen. Für die Praxis ist es meiner Meinung nach wichtig, es so genau wie nötig, aber so einfach wie möglich zu halten. Da die wenigsten jedoch selbst etwas in Lautschrift schreiben müssen, reicht es aus, die Zeichen und Symbole mit der Zeit wiederzuerkennen, aber sich der möglichen Darstellungsformen bewusst zu sein.

IPA lesen lernen

Wenn du nun Lust hast, dich genauer mit dem IPA zu beschäftigen und es lesen zu lernen, kann ich dir meine kostenlose PDF „Bessere Aussprache durch Lautschrift“ empfehlen. Dort findest du zwei Übungstexte mit Transkription in IPA sowie insgesamt vier Audiodateien, damit du die Aussprache und die Intonation so gut wie möglich nachvollziehen und die Texte nachsprechen kannst. Trage dich dafür einfach in meinen Newsletter ein, dann erhältst du den Link, um die Dateien herunterzuladen.

Die Übungstexte bieten einen eher intuitiven Zugang zur Lautschrift ohne große Erklärungen und decken nicht alle phonetischen Besonderheiten ab, die es gibt. Sie eignen sich daher gut zum Einstieg und du kannst dank der Audios sogar ganz ohne die IPA-Texte mit den Übungstexten arbeiten. Wenn du jedoch noch tiefer in die Materie eintauchen möchtest, hilft dir zum Beispiel die Wikipedia bzw. das Wiktionary weiter:

Vielleicht hast du aber lieber ein Buch in der Hand und suchst nach einem zuverlässigen Nachschlagewerk. Da gäbe es zum einen das Duden-Aussprachewörterbuch*, das wahrscheinlich bekannteste und am häufigsten genutzte Werk für die Aussprache, und zum anderen das Deutsche Aussprachewörterbuch* von Krech u.a., erschienen im Wissenschaftsverlag De Gruyter, mit dem ich bevorzugt arbeite. Es berücksichtigt in besonderer Weise die natürliche Aussprache bei der Empfehlung einer Standardaussprache und widmet sich dabei auch ausführlich dem österreichischen und schweizerischen Deutschen.

Fazit

Das IPA ist das bekannteste Lautschriftsystem und kann ein mächtiges Werkzeug auf deinem Weg zu einer besseren Aussprache sein, da es die Aussprache wesentlich genauer repräsentiert als die normale Schreibung. Es kann zwar je nach Einsatzzweck zu unterschiedlichen Feinheiten in der Darstellung kommen, aber grundsätzlich ist das Alphabet so standardisiert, dass du es gezielt für dein Phonetiktraining nutzen kannst. Das Erlernen der Lautschrift bietet also eine tolle Ergänzung zum Lernen nach Gehör. Ich wünsche dir dabei viel Spaß und Erfolg!

*Bei den Links handelt es sich um sog. Affiliate-Links von Amazon. Wenn du über die Links einkaufst, erhalte ich eine kleine Provision. Für dich bleibt der Preis gleich, es entstehen also keine weiteren Kosten.

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Zeit für Spezialisierung

Zeit für Spezialisierung

Kennst du das Gefühl, wenn du dir so viel vornimmst und so viele Baustellen hast, dass du von allem ein bisschen, aber nichts richtig machst? Wenn nicht, dann beneide ich dich 🙂

Nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen

Um meinen Blog habe ich mich schon sehr lange nicht mehr gekümmert. Dafür gibt es auch keine adäquate Ausrede. Der einzige Grund ist, dass ich mich um so viele andere Dinge gekümmert habe, dass ich dem Blog nicht die Priorität eingeräumt habe, die er verdient. Das passiert, wenn man nicht fokussiert genug ist und auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen möchte.

Breites Spektrum oder Spezialisierung?

Angefangen habe ich als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache. Dazu zählt natürlich alles, was mit der Vermittlung der deutschen Sprache zu tun hat: Einzelunterricht, Gruppenkurse, A1 bis C2, Grammatik, Wortschatz, Kultur- und Landeskunde, Prüfungsvorbereitungen, Textkorrekturen und so weiter und so fort. Eine meiner größten Leidenschaften war dabei aber immer das Thema Aussprache. Mein erstes (zugegebenermaßen grauenvolles) Video, das ich jemals auf YouTube veröffentlicht habe, behandelt die Aussprache von R, weitere (nicht viel bessere) Videos zu den Umlauten Ü und Ö folgten. Jedoch war das Spektrum meiner Arbeit stets ziemlich breit. Nach vielen Jahren des Ausprobierens habe ich nun einen Entschluss gefasst: Es ist Zeit für Spezialisierung.

Jede Sprache ist ein musikalisches Werk, jeder Sprecher ein Interpret.

Die Arbeit als Aussprachetrainerin hat mich immer am meisten begeistert. Zu analysieren, wie Laute gebildet werden, woher bestimmte Aussprachefehler bzw. Abweichungen oder Auffälligkeiten kommen und wie man diese verbessert, finde ich unglaublich spannend. Eine genauso große Faszination übt es auf mich aus, der Prosodie verschiedener Sprachen und einzelner Sprecher zu lauschen, als wäre jede Sprache ein musikalisches Werk und jeder Sprecher ein Interpret. Selbstverständlich brauchen wir nicht alle perfekte Sängerinnen und Sänger zu sein. Aber ich möchte allen, die es wollen, dabei helfen, die Töne der deutschen Sprache sicherer zu treffen.

Wissen, bei wem man was bekommt

Meine Mission ist es, ein Stück meiner Faszination weiterzugeben. Da jedem von uns nur 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen, möchte ich nun all meine Ressourcen für meine Spezialisierung nutzen. Wenn alle Facetten des Sprachenlernens abgedeckt werden sollen, wird die Zeit (ohne ein großes Team an seiner Seite) schon ziemlich knapp. Die einen schauen gerne Videos, die anderen hören lieber Podcasts, die nächsten bevorzugen das Lesen von Blogartikeln und wieder andere konsumieren eher kurzweilige Inhalte in sozialen Medien. Oder von allem etwas, so wie ich. Und von kostenpflichtigen Angeboten wie Kursen oder Einzelcoachings ist dabei noch gar nicht die Rede. Alle Medien haben ihre Berechtigung und bieten einen unterschiedlichen Zugang zu den Themen, die vermittelt werden sollen. Ich bin davon überzeugt, dass es hilfreich ist, sich orientieren zu können und genau zu wissen, bei wem man was bekommt. Ich habe mich also dafür entschieden, mein Lieblingsthema über mehrere unterschiedliche Kanäle zu vermitteln, anstatt mehrere unterschiedliche Themen nur über wenige Kanäle zu vermitteln.

Was du erwarten kannst

Warum schreibe ich das Ganze überhaupt? Wenn du auf meiner Seite gelandet bist, kennst du mich vielleicht aus meinen YouTube-Videos und suchst möglicherweise eine Lehrerin, mit der du dein Deutsch verbessern kannst. Leider biete ich solch eine Art von Unterricht nicht mehr an. Vielleicht suchst du aber auch nach Angeboten, um deinen Akzent verbessern zu können. Dann bist du hier genau richtig. Du darfst hier ab sofort Inhalte erwarten, die dich deinem Ziel, mit weniger Akzent oder sogar akzentfrei Deutsch zu sprechen, ein Stückchen näherbringen. Neben meinen altbekannten YouTube-Videos, dem kürzlich gestarteten Podcast und dem nun wiederbelebten Blog, womit du kostenlos lernen kannst, findest du bei mir eine Auswahl an Trainingsangeboten, mit denen du mit meiner unmittelbaren Begleitung deine Aussprache verbessern kannst.

Bleib auf dem Laufenden

Wenn du auf dem Laufenden bleiben und kein Angebot verpassen möchtest, trag dich gerne in meinen Newsletter ein. Als Dankeschön erhältst du kostenlos mein Mini-E-Book Bessere Aussprache durch Lautschrift mit Texten in normaler Schrift und in IPA (Internationales phonetisches Alphabet) sowie den dazugehörigen Audios zum Download.

PS: Die bisherigen Blogartikel werden übrigens nicht gelöscht, sondern nur archiviert. Sie sind also immer noch auffindbar, allerdings nur noch unter der Kategorie „Archiv“ und mit deaktivierter Kommentarfunktion (die alten Kommentare werden nicht gelöscht).

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Gegenstand als Sprechanlass

Manchmal fehlt eine knackige Idee für den Unterrichtseinstieg. Manchmal sind vor der Pause oder am Ende der Stunde noch einige Minuten übrig, die man nicht so recht zu füllen weiß. Manchmal ist es auch schlicht schwierig, die Kursteilnehmer zum Sprechen zu animieren. (mehr …)

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